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15.02.14

»Tollwut (Mit Schaum vor dem Mund)«



Manuel Gehrke, Lissa Benovic, Thalea Luschnat alias Damage Goods haben uns einmal mehr ein wundervolles Video geschenkt, das gerade bei der Spex Premiere gefeiert hat. Herzlichen Dank dafür!

Manuel, der uns auch auf der bald startenden Tour begleiten wird, um die Bühne während der Konzerte mit Bildern zu bewerfen, hat zusätzlich einen kurzen Erzähltext zum Video verfasst:

Am Tresen habe ich gerade mein drittes Bier bestellt und die zweite Schachtel Camel für diesen Tag angefangen. Neben mir sitzt Pierre und erzählt mir etwas über die Opiumhöhlen in Vietnam und Nepal. Er ist da eine Zeit lang jeden Monat einmal hin. Ich frage ihn welche Droge seine Lieblingsdroge sei und er erzählt von Meskalin, korrigiert sich dann und bestimmt Opium als seine »Leitdroge«. Ich habe weder Erfahrung mit dem Einem, noch dem Anderen aber großes Interesse, also lasse ich mir davon erzählen.

Dass man von Meskalin immer kotzen muss stimmt nicht, erklärt er mir. Wenn man das mit einem Schamanen macht, ist das Gebräu gut verträglich. Während er von einem Trip erzählt, gehe ich im Kopf meine Möglichkeiten durch. Tatsächlich kenne ich einen Schamanen, aber der zählt eher als New-Age Yoga Hippie und kann mir wahrscheinlich nicht wirklich weiter helfen bei meinem Vorhaben, mich mit Meskalin auf die Reise zu begeben. Pierre raucht wie ich gern und viel. Wir zünden uns eine neue Zigarette an und tauschen uns weiter aus über Drogen und Atheismus. Wir stellen fest, dass Gott zwar scheiße ist, es aber auch etwas sehr deprimierendes hat Atheist zu sein. Wenn wir tot sind sind wir tot. Es gibt also nichts worauf wir uns nach dem Tod freuen könnten, außer Wurmfutter zu sein und mit dem Arsch nach oben beerdigt zu werden.

Uns beiden Gegenüber sitzen Derek und Hansi. Die drei kennen sich schon ein paar Tage aus dem Hostel, ich bin neu dazugekommen und habe mich einfach zum Bier trinken an sie gehängt. Derek schaut mich an, bei dem Gerede über Gott ist er hellhörig geworden. Ich schaue ihn an und frage ihn, ob er an diesen Quatsch glauben würde. Ich hätte sicher auch etwas höflicher sein können, aber irgendwie war es mir ja schon klar, dass er mit einem überzeugten »Ja« antworten würde. Das hat sich auf dieser Reise bisher wie ein roter Faden durch meine Begegnungen gezogen. Ich reagiere ziemlich gereizt auf das Thema - meine Freundin hat mich gerade verlassen und ich suhle mich in Selbstmitleid, gebe mich betont nihilistisch.

Derek sieht mich an, er macht eine theatralische Pause und trinkt noch mal von seinem Bier bis er mir antwortet, dass er an Gott glaubt. Der Blick ist schwer einzuordnen, ich weiß nicht ob ich mich jetzt entschuldigen oder gehen soll, oder Beides. Er sieht meine Unsicherheit und ergänzt sofort, dass Gott wohl das mieseste Arschloch sei, dass es auf dieser Welt geben würde. Das überrascht mich, für gewöhnlich glauben die Leute doch einfach oder reden zumindest nicht sofort über ihren Konflikt mit sich und ihrer Beziehung zum Glauben. Die anderen sind Esos oder halt Atheisten. Auf ihn trifft nichts so richtig zu.

Mir ist dieser Scheiß doch eigentlich egal.

Meine Frage hat ihn dazu eingeladen mir seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wenn man Leute in Hostels trift, haben die meist einen Drang ihre ganze Geschichte zu erzählen. Wir reisen ja - haben schließlich schon viel erlebt.

Derek war früher beim britischen Militär und hat dann irgendwas mit Fotografie gemacht, bis schließlich seine Frau, wie er Mitte Vierzig, an Krebs erkrankte. So was passiert, sagt er. Die Ärzte gaben ihnen eineinhalb Jahre. Die beiden planten eine schöne Reise zu unternehmen und wollten die letzte gemeinsame Zeit voll auskosten, sich in Ruhe verabschieden. Acht Wochen später war sie tot und Derek ziemlich im Arsch. Als er sich von seinem Schmerz nicht so richtig erholen konnte, stellte man bei ihm Lungenkrebs und einen Tumor im Gehirn fest. Den Tumor konnten sie tatsächlich entfernen, die eine kranke Hälfte der Lunge auch. Der Krebs ist immer noch da und die Ärzte gaben ihm ein Jahr. An dem Abend in der Kneipe ist das sechs Monate her, jetzt da ich Dereks Geschichte aufschreibe zwölf.

Er verkaufte sein Haus für ein Fahrrad und entschied sich in seinen zwölf Monaten von Cornwall nach Nepal zu fahren. Das Haus war nicht viel Wert, sein knappes Tagesbudget liegt bei fünf Euro. Das nächste Bier für ihn geht auf mich. Ich will mir einen Ablass dafür kaufen, dass ich immer noch neben ihm sitze und rauche. Die Zigaretten schmecken nicht so gut wie sonst, aber ich bin zu nervös, um aufzuhören. Neben ihm sitzt immer noch dieser Hansi, der bei jedem Wort von Derek mehr in sich rein grinst. Pierre erklärt mir, sie hätten die Geschichte schon vor ein paar Tagen gehört und Hansi, der Finne, hätte seine eigene Art damit umzugehen. Derzeit ist Dereks Problem, dass er kein Visa für Aserbaidschan bekommt. Hansi sagt schroff, dass er da nichts verpassen würde, aber für Derek scheint dort eine wichtige Station zu sein.

Ich komme gerade von dort und will weiter nach Syrien, um mir in meinem Selbstmitleid zu beweisen, was für ein harter Typ ich bin und dann nach Istanbul. Wir reden weiter über unsere Reisepläne und Derek empfiehlt mir einen Schlenker über das Landesinnere der Türkei machen. Derek erzählt von Cappadocia, dem schönsten Ort an dem er je gewesen sei. Ich versuche noch zu widersprechen, dafür habe ich keine Zeit. Ich bin ja auf meinem Selbstfindungstrip, aber er lässt mir keine Wahl. Mir wird klar, dass er bald stirbt und das schönste was er gesehen hat, scheint für mich nicht gut genug zu sein.

Am nächsten Tag kaufe ich ein Busticket nach Trabzon über Cappadocia. Es ist Ramadan, mein Kopf klingelt noch vom Alkohol, der Hitze und der Geschichte von letzter Nacht. An dem Sitz vor mir ist ein Monitor angebracht, auf dem türkisches Fernsehen läuft und an dem vorbei ich auf die Strasse schauen kann. 24 Stunden lang.


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